Sigmar Gabriel | Bildquelle: Bundesregierung/Bergmann

Reutlingen:

"Dramatische Auswirkungen": Nach Äußerungen von Wirtschaftsminister Gabriel warnt IHK vor TTIP-Scheitern

Stand: 31.08.16 11:30 Uhr

Seit Jahren wird um das geplante transatlantische Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA gefeilscht; für die einen ist es das Projekt, das die wirtschaftliche Zukunft Europas und Deutschlands sichert; andere sehen europäische Qualitäts-, Umwelt- und Sozial-Standards bedroht. Nach entsprenchenden Äußerungen des deutschen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel und aus Frankreich, dass TTIP Gescheitert sei, zeigen sich die IHKs tief besorgt. Sie befürchten, dass das Abkommen im Strudel nationaler innenpolitischer Interessen tatsächlich Scheitern könnte - und werfen den Gegnern puren Populismus vor.


Er brachte den Stein ins Rollen. Der deutsche Wirtschaftsminister und SPD-Parteichef hat TTIP für gescheitert erklärt, weil in keinem Verhandlungskapitel etwas vorangehe. Auf europäischer Ebene hat Frankreich ganz aktuell nachgelegt und einen Abbruch der Verhandlungen über eine transatlantische Freihandelszone gefordert. Dem hat der Chef der europäischen Kommission Juncker ebenso scharf widersprochen wie die deutsche Bundeskanzlerin: Die Verhandlungen dauerten an und könnten erst beurteilt werden, wenn die Umrisse erkennbar seien.

Den Industrie- und Handelskammern im Land machen die ganz aktuellen Entwicklungen tiefe Sorgen, so auch Martin Fahling, Bereichsleiter der Abteilung International der IHK Reutlingen. Die Bedeutung des amerikanischen Marktes dürfe nicht unterschätzt werden. Für die stark exportorientierte deutsche, die baden-württembergische, aber auch die regionale Wirtschaft seien erleichterte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den USA unverzichtbar; gerade anlässlich des immer schärferen globalen Kampfs um Märkte - an diese sei der Erhalt von Arbeitsplätzen und Wohlstand geknüpft. An einen Erfolg auf diesen Feldern sei nicht zuletzt die Sicherheit der hiesigen Arbeitsplätze und der soziale Wohlstand geknüpft.

Die USA sind laut IHK für die Unternehmen bereits jetzt der wichtigste Auslandsmarkt. Allein im ersten Halbjahr habe der Umfang schon 11 Milliarden Euro betragen. Und auch für die Region Neckaralb gelte: mehr als jeder zweite Euro im Auslandsgeschäft wurde transatlantisch erwirtschaftet.

Ein Abkommen mit den USA, so Fahling, werde dem heimischen Markt noch einmal einen weiteren Anschub geben; durch günstiger zu verkaufende Produkte; aber auch durch ausländisches Kapital, das dann eben dann hier und nicht anderswo investiert werde.

Europa habe jetzt aktuell noch einmal die Chance, mit TTIP seine Außenhandelsstrategie selbst zu bestimmen. Die Alternative sei denkbar ungünstig: scheitere TTIP, werde man künftig nur noch orientieren können, was andere Weltwirtschaftsmächte dann vorgeben. Diese andere option liegt in Form eines fast ausverhandelten transpazifischen Abkommens praktisch schon unterschriftsreif vor.

Experten warnen: die USA könne sich unter einem Präsidenten Trump komplett von Europa abwenden. Dannprofitierten andere von weniger Zöllen, günstigeren Produkten und ausländischen Investoren. Die immer wieder "gewähnten Nachteile", wie die befürchtete Macht der Riesenkonzernen, der vielen ominös erscheinende Investorenschutz über nicht staatliche Schiedsgerichte seien, bei Lichte betrachtet, überschätzt.

Faktisch werde grade der Mittelstand besonders von TTIP profitieren; denn dieser könne dann in die USA sicher liefern, ohne sich beständig anzupassen. Große Konzerne hingegen hätten die Probleme von Anpassungen auf Grund ihrer Ressourcen grundsätzlich nicht.

Dass über die TTIP-Verhandlungen derzeit nicht viel nach draußen dringe, sei nicht ungewöhnlich. Seit Ende des 20. Jahrhunderts würden Freiheilhandelsabkommen verhandelt. Man werde kein Abkommen finden, das je im nicht unterschriftsreifen Status der Öffentlichkeit vorgelegt worden seien. Um die harten Brocken gehe es - wie immer - ganz am Schluss.

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