Mode | Bildquelle: Pixabay.com

Reutlinger Modemanagement-Professor:

Kritik an Preisdruck der Modeketten - Umweltzerstörung als Folge

Stand: 21.10.19 08:10 Uhr

Die großen Modeketten unternehmen nach Ansicht von Wissenschaftlern und Handelsexperten noch immer zu wenig gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörungen im Produktionsland Bangladesch. Jochen Straehle, Professor für internationales Modemanagement an der Hochschule Reutlingen, kritisiert den Preisdruck. Er treibe die Produzenten in die Illegalität.

Sechs Jahre nach dem Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza unternehmen die großen westlichen Handelsketten trotz anderweitiger Versprechungen zu wenig gegen schlechte Arbeitsbedingungen und dramatische Umweltzerstörungen in Bangladesch. Diese Kritik äußern sowohl Textilhersteller und Wissenschaftler in Bangladesch als auch deutsche Mode- und Handelsexperten.

Bangladesch ist nach China der weltweit zweitgrößte Produzent. Während die großen Kleidungsmarken auf verpflichtende Vereinbarungen zu Mindestlöhnen, Sicherheitsmaßnahmen und Umweltschutz hinweisen, kritisieren unabhängige Experten wie Dr. Khondaker Golam Moazzem vom renommierten Think Tank Research Gate Bangladesh einen enormen Preisdruck, der es in der Praxis unmöglich mache, durchgängig diese Standards einzuhalten.

Giftige Abwässer bedrohen Lebensgrundlagen

Besonders deutlich werde dies beim Umweltschutz: Nach wie vor würden viele Färbereien ihre giftigen Abwässer ungeklärt in die Flüsse leiten. Dies betrifft insbesondere den Fluss Dhaleshwari im Großraum der Hauptstadt Dhaka. Seitdem sich vor drei Jahren auch dort Textilfabriken angesiedelt haben, nimmt die Verschmutzung kontinuierlich zu. Reporter des WDR haben für die Dokumentation "Exclusiv im Ersten: Unsere Kleidung" Wasserproben genommen und vom WWF auswerten lassen. Demnach überschreitet der Verschmutzungsgrad des Daleshwari den europäischen Grenzwert um das Dreißigfache. Damit drohe dem Fluss dasselbe Schicksal wie dem Nachbarfluss Buriganga, an dem schon länger produziert wird und der bereits biologisch tot sei.

Aus Sicht des Wissenschaftlers Dr. Abdul Matin von Water Keepers Bangladesh treibt das Land unaufhaltsam einem ökologischen Kollaps entgegen: "Das Leben aller Menschen hier hängt vom Wasser ab. Doch die Gesundheit, die Ernte - alles ist gefährdet."

Die WDR-Reporter, die sich gegenüber örtlichen Fabrikanten als westliche Einkäufer ausgegeben haben, deckten dabei am Beispiel eines Lieferanten, der auch für große Marken produziert, eine entscheidende Schwachstelle auf. Zwar war offiziell nur ein Vertrag mit dieser Firma möglich, da sie zertifiziert und damit zur Einhaltung der Umweltstandards der Marken verpflichtet ist.

Doch die Reportage zeigt, dass der Lieferant das kritische Färben in eine Firma auslagern würde, die aufgrund von Umweltverstößen von den Behörden geschlossen wurde, aber trotzdem illegal und ohne funktionierende Kläranlage weiter färbt.

Reutlinger Professor: "Vertuschung ist an der Tagesordnung"

Jochen Straehle, Professor für internationales Modemanagement an der Hochschule Reutlingen, der zuvor in der Modebranche gearbeitet hat, sieht als entscheidende Ursache den Preisdruck der westlichen Marken, der die Produzenten in die Illegalität treibe: "Nicht jedes Unternehmen kann dem Druck standhalten und so sind Schattenbuchhaltung, Lügerei, Vertuschung an der Tagesordnung, um als Produzent weiter gelistet zu sein."

Tatsächlich ist nach Angaben von Eurostat, Statistisches Amt der Europäischen Union, in den letzten vier Jahren der Importpreis für Kleidung aus Bangladesch gesunken, um 57 US-Dollar pro Kilo auf 1516 Dollar. Der Wirtschaftsforscher Dr. Khondaker Golam Moazzem kritisiert, dass eine solche Entwicklung geradezu zwangsläufig zu Umweltverstößen in den Fabriken verleite: "Der laufende Betrieb von Kläranlagen ist kostspielig. Und Firmen, die diese nutzen, haben einen Nachteil gegenüber anderen, die sie abschalten."

Die ARD hat acht große Marken zu der Entwicklung ihrer Einkaufspreise in Bangladesch befragt. C&A bestätigt "geringfügig gesunkene" Einkaufspreise, verweist aber auf Effizienzsteigerungen in den Betrieben unter anderem aufgrund größerer Bestellmengen. H&M und Otto erklären, nicht weniger zu zahlen. Die Mehrheit, darunter auch Aldi, Lidl, Zara, Kik und Primark, geben dazu keine Auskunft. Alle angefragten Marken sehen keine Zusammenhang zwischen ihrer Einkaufspolitik und den Umweltschäden.

Jochen Straehle, Professor für internationales Modemanagement an der Hochschule Reutlingen, der zuvor in der Modebranche gearbeitet hat, sieht als entscheidende Ursache den Preisdruck der westlichen Marken, der die Produzenten in die Illegalität treibe: "Nicht jedes Unternehmen kann dem Druck standhalten und so sind Schattenbuchhaltung, Lügerei, Vertuschung an der Tagesordnung, um als Produzent weiter gelistet zu sein."

Ausstrahlung:

Exclusiv im Ersten: Unsere Kleidung, Montag, 21. Oktober 2019, 21:45 Uhr, Das Erste

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