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Konjunktur:

Wirtschaftsaufschwung endet, Sachverständige erwarten aber keine Rezession

Stand: 06.11.19 18:13 Uhr

Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu einem Ende gekommen. Die "Wirtschaftsweisen" prognostizieren für die Jahre 2019 und 2020 ein geringeres Wirtschaftswachstum in der Welt, im Euroraum und in Deutschland. Eine tiefergehende Rezession erwarten sie aber nicht. Sie fordern Investitionen in Bildung, Innovation und Infrastruktur.

Die Industrie befindet sich bereits in einer Rezession, während der Dienstleistungsbereich bislang stabil ist. Der Investitionsschwäche steht ein robuster Konsum gegenüber, was nicht zuletzt am nach wie vor stabilen Arbeitsmarkt liegt. So analysiert der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Lage.

Eine tiefergehende Rezession zeichnet sich demnach bislang zwar nicht ab, das Rezessionsrisiko ist aber deutlich gestiegen. Eine Belebung ist frühestens im Laufe des Jahres 2020 zu erwarten. Für dieses und das kommende Jahr erwartet der Sachverständigenrat in Deutschland ein verhaltenes Wachstum von 0,5 Prozent beziehungsweise 0,9 Prozent. Berücksichtigt man zusätzlich die unterschiedliche Anzahl der Arbeitstage, beträgt das prognostizierte Wachstum nur jeweils 0,5 Prozent. „Die deutsche Volkswirtschaft ist von der globalen Abschwächung aufgrund seiner Exportorientierung besonders stark betroffen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass Deutschland in eine tiefere Rezession abgleitet, selbst wenn wir dies derzeit nicht prognostizieren", betont Prof. Dr. Isabel Schnabel, die am Gutachten beteiligt war.

„Schuldenbremse könnte hinderlich sein"

Anders als die Mehrheit des Sachverständigenrates befürchtet Isabel Schnabel, dass die deutsche Schuldenbremse sich in der Zukunft als Hemmschuh erweisen könnte. Zum einen könnte sie zu wenige Spielräume für eine antizyklische Fiskalpolitik lassen, die erforderlich sein könnte, um sich einer Rezession entgegenzustellen; zum anderen könnte es in ihrem Rahmen schwierig sein, diejenigen Investitionen zu finanzieren, die erforderlich sind, um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sicherzustellen. Daher rät sie, kurzfristig die bestehenden Spielräume pragmatisch zu nutzen und längerfristig die Schuldenbremse zu reformieren.

Steigende Risiken im Finanzsystem

Außerdem weist der Sachverständigenrat auf steigende Risiken im Finanzsystem hin. Vor allem im Bereich der Immobilienpreise zeigen sich deutliche Übertreibungen. Der europäische Bankensektor ist im internationalen Vergleich wenig profitabel, sodass es schwierig ist, Eigenkapital aufzubauen und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Im Fall einer Rezession ist mit steigenden Risiken zu rechnen. Um diesen entgegenzutreten, sind zusätzliche regulatorische Maßnahmen sinnvoll. Verwerfungen könnten im Bankensektor drohen, wenn die großen Technologieunternehmen (BigTechs) in den Markt eintreten, etwa im Bereich des Zahlungsverkehrs. „Die Politik ist gefordert, Risiken aus den Geschäftsaktivitäten neuer Marktteilnehmer angemessen zu regulieren, ohne dabei Innovationen unnötig zu bremsen", fordert Isabel Schnabel. „Die Banken müssen hingegen die notwendigen Investitionen in die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle tätigen, um im Wettbewerb mit den neuen Marktteilnehmern bestehen zu können."

Einschätzungen liefern Argumente für die politische Debatte

Der Sachverständigenrat spricht keine Empfehlungen aus, sondern zeigt Fehlentwicklungen auf und bewertet verschiedene Handlungsalternativen. Das Jahresgutachten liefert so wirtschaftspolitische Argumente, die in politischen Prozessen und in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle spielen.

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