Polizeifahrzeuge | Bildquelle: Pixabay.com

Portugal / Deutschland:

Fall Maddie McCann vor der Auflösung? Aktenzeichen XY: Tatverdächtiger sitzt in Deutschland in Haft

Stand: 06.06.20 08:16 Uhr

Der Kriminalfall um das Verschwinden der kleinen Maddie McCann im Jahr 2007 in Portugal steht offenbar kurz vor der Aufklärung. Ein Tatverdächtiger befindet sich in Deutschland in Haft. Das berichtete am 03.06.2020 ein BKA-Ermittler in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY". Die Zuschauer wurden aufgerufen, Angaben zu zwei Fahrzeugen, zwei Handynummern und zu zwei Häusern zu machen. Alle wichtigen Infos von Polizei und Scotland Yard zum Stand der Dinge lesen Sie hier:

"Bitte laden Sie Ihre Urlaubsbilder auf das BKA-Portal hoch"

BKA-Ermittler Hoppe rief alle Zuschauer, die 2007 Urlaub an der Algarve gemacht haben, dazu auf, Urlaubsbilder und Urlaubsvideos jeder Art - aus dem Frühjahr 2007 bis Mai/April 2007 - auf das BKA-Hinweisportal hochzuladen:

"Landschaftsaufnahmen, Strandaufnahmen, Häuserfluchten, Fotos von Ferienanlagen; Bilder auf denen im Hintergrund Fahrzeuge und Personen abgebildet sind." Jedes noch so kleinste Detail könne helfen.

Das gelte nicht nur Aufnahmen von Paya de Luz, dem Ort, an dem Maddie verschwunden ist, sondern für alle Aufnahmen aus der gesamten Algarve, weil der Tatverdächtige auch über größere Strecken in der Algarve  unterwegs gewesen sein könnte.

Es sei außerordentlich wichtig, dass die damaligen Urlauber möglichst viele Fotos und Videos auf das BKA-Hinweisportal hochladen, sagte Hoppe eindringlich.

Wie Maddie verschwand

Die dreijährige Madeleine McCann war am 3. Mai 2007 - kurz vor ihrem vierten Geburtstag - aus einer Ferienwohnung einer Ferienanlage im portugiesischen Praia da Luz verschwunden.

Die Eltern Kate und Gerald McCann hatten mit Freunden ganz in der Nähe der Ferienwohnung (Appartement 5A) in einer rund 55 Meter entfernten Tapas-Bar zu Abend gegessen. Die Eltern hatten gegen 20:30 Uhr die Schiebetür zur Ferienwohnung zwar zugezogen, aber nicht verschlossen.

Während des Essens sahen die Eltern abwechselnd mehrmals nach ihrer schlafenden Tochter. Beim dritten Kontrollgang durch die Mutter fand diese gegen 22 Uhr nur noch ihre beiden anderen Kinder vor, die jüngeren Zwillige. Ein Fenster stand offen. Ihre Tochter Maddie war verschwunden.

Ein Mann, der ein Kind trägt..

Am 26. Mai 2007 berichtete das irische Urlauber-Ehepaar Smith, dass sie gegen 22 Uhr einen Mann in der Nähe des  Appartments gesehen hatten, der ein drei bis vierjähriges Mädchen trug. Sie beschrieben den Mann als Mitte Dreißig und etwa 1,75 bis 1,80 Meter groß, mit kurzen braunen Haaren. Er habe nicht wie ein Tourist ausgesehen, und habe offenbar Schwierigkeiten gehabt, das Kind zu tragen.

Ob es sich bei der Sichtung des irischen Urlauber-Ehepaars um den Täter mit Maddie handelt, ist bis heute nicht geklärt. Der jetzige Tatverdächtige wird als rund 1,80 Meter großer Weißer, mit kurzen blonden haaren beschrieben.

Jahrelange Ermittlungen

Suchaktionen und Ermittlungen zuerst der portugiesischen - und später der englischen - Polizei brachten in den darauffolgenden Monaten keinen Erfolg. Bis heute haben die Ermittlungen laut BBC 11 Millionen Britische Pfund verschlungen.

In der Folge des Verschwindes kursierten wilde Gerüchte über die Geschehnisse durch die Medienlandschaft.

Maddies Eltern, die über Jahre hinweg weltweit in Aufrufen selbst nach ihrer Tochter fahndeten, sahen sich Bezichtigungen als Täter oder der Mitwisserschaft ausgesetzt, beteuerten jedoch ihre stets Unschuld.

Nun ist der Polizei in Deutschland offenbar ein bahnbrechender Ermittlungserfolg gelungen, der zur Aufklärung des mutmaßlichen Verbrechens und zur Überführung des Täters führen könnte:

Christian Hoppe, leitender BKA-Ermittler, stellte die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse am 03.06.2020  in der Sendung "Aktenzeichen X" vor, und bat die Zuschauer um Mithilfe bei der Identifizierung zweier Autos, zweier Gebäude und zweier Handy-Nummern.

Der Tatverdächtige war in der Nähe - und telefonierte..

Dem Ermittler zufolge hatte sich der heute 43-jährige deutsche Tatverdächtige damals - zwischen 1995 und 2007 - immer wieder über längere Zeit an der Algarve in Portugal aufgehalten. Mobilfunkdaten zufolge hatte sich sein Handy zur Tatzeit im Bereich des Tatorts eingeloggt.

Bei dem damals 30-jährigen Tatverdächtigen handelt es sich offenbar um einen Mann, der seinen Lebensunterhalt auch aus Einbrüchen in Hotels und Ferienanlagen, und auch aus Drogenhandel bestritt. Und der BKA-Ermittler Hoppe zufolge zudem wegen Kindesmissbrauch und als mehrfacher Sexualstraftäter vorbestraft war.

Die Polizei schließt Hoppe zufolge nicht aus, dass das Motiv des Tatverdächtigen zunächst ein Einbruch war, und erst beim Auffinden des Kindes ein weiteres Motiv hinzu kam.

Zwei Häuser, zwei Autos, zwei Telefonnummern

Der Tatverdächtige nutzte damals zwei auffällige Autos, von denen in der Aktenzeichen XY-Sendung Fotos gezeigt wurden. Darunter ein Jaguar  XJR6 (BKA-Fotos hier und hier) mit deutschem Kennzeichen und einen Kleinbus vom Typ VW-T3 Westfalia mit portugiesischem Kennzeichen. Der Kleinbus, ein Camper Van, Modell aus den frühen 80er Jahren, hat dem gezeigten Foto zufolge eine weiße Farbe und im unteren Bereich der Karosserie einen auffälligen, breiten, gelblichen Längsstreifen.

Die britische Metropolitan Police und Scotland Yard gehen davon aus, dass der Mann möglicherweise für Tage oder Wochen in dem Van lebte, und das Fahrzeug auch am 03. Mai 2007 benutzt haben könnte:Dem Tag, an dem Maddie verschwand.

Der Halter des Kleinbusses hatte das Fahrzeug dem Tatverdächtigen zur Nutzung überlassen. Die Polizei legt Wert, sagte BKA-Ermittler Hoppe in "Aktenzeichen XY", Wert darauf, dass der Halter des Kleinbusses, keinerlei Kenntnis von dem mutmaßlichen Verbrechen hatte. Die Polizei bittet Zuschauer, die sich an diese auffälligen Autos erinnern können, um Hinweise.

Einen Tag nach Madeleines Verschwinden, am 4. Mai 2007, habe der Tatverdächtige den Jaguar in Deutschland auf den Namen eines anderen Halters umgemeldet, schreibt der Guardian: Zu einem Zeitpunkt, an dem das Auto nach Überzeugung der Polizei noch in Portugal war.

Beide Autos wurden von der Polizei beschlagnahmt. Die Ermittler wollen nun wissen, wer die Fahrzeuge gesehen hat. 

Ein auffälliger Kamin mit einem blauen Streifen

Der Tatverdächtige soll sich außerdem in zwei Häusern aufgehalten haben, eines davon offenbar leerstehend. In einem der Häuser (BKA-Foto hier) hatte der Mann laut BKA Diebesgut gelagert.

Die Ermittler veröffentlichten Fotos aus dem Innern der Häuser - unter anderem mit einem auffälligen Kamin mit einem blauen Farbstreifen an der oberen Kante und hoffen, dass sich Zuschauer an dadurch diese Häuser erinnern können.

Wer kennt diese beiden Telefonnumern?

Die Polizei veröffentlichte zudem zwei portugiesische Handy-Telefonnummern: Die eine, portugiesische Telefonnummer (+ 351 912 730 680) hatte der Tatverdächtige "mit an Sicherheit grenzender ´Wahrscheinlichkeit", schreibt das BKA in seiner Mitteilung, selbst genutzt und von dieser Telefonnummer um die Tatzeit herum aus Prayas de Luz um 19:32 Uhr die  Telefonnummer (+ 351 916 510 683) angerufen. Das Telefongespräch dauerte bis 20:02 Uhr. 

Der Gesprächspartner des Tatverdächtigen hielt sich den Handydaten zufolge nicht in Praya de Luz auf. Er wird von der Polizei aber dringend als Zeuge gesucht: Wer erinnert sich an die Telefonnummern und ihre damaligen Nutzer? Wer hat díe Telefonnummern noch in seinen Kontakten abgespeichert?

Im Jahr 2017 kamen die entscheidenden Hinweise: Seither wurde intensiv ermittelt

Der Tatverdächtige verbüßt derzeit in anderer Sache eine längere Haftstrafe in Deutschland. Der Braunschweiger Zeitung zufolge  lebte der 43-jährige Deutsche zur Tatzeit in Praia da Luz und ist mit letztem Wohnsitz in Braunschweig gemeldet. 

Vieles deute, schreibt die Braunschweiger Zeitung, "darauf hin, dass der Verdächtigte identisch ist mit dem Mann, der sich Ende 2019 wegen der Vergewaltigung einer Amerikanerin in Praia da Luz vor dem Braunschweiger Landgericht verantworten musste." Die Vergewaltigung habe anderthalb Jahre vor Maddies verschwinden stattgefunden, ebenfalls in Praya de Luz. Dort sei die 72-jährige spätabends hinterrücks überfallen, gefesselt und vergwaltigt worden. Der Täter sei durch die offene Türe ins Haus eingedrungen. Der Mann bestreitet die Tat. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. 

Dem englischen Guardian zufolge  hatte die Polizei bereits nach einem Fahnungsaufruf zum 10. Jahrestag von Madeleines Verschwinden im Mai 2017 signifikante Informationen erhalten:

Nachdem die Deutsche Bundespolizei im November 2017 durch Britische und Portugiesische Kräfte miteinbezogen wurde, sei es zu umfangreichen Ermittlungen seitens der Ermittler gekommen, um über den Tatverdächtigen und seine Verbindungen nach Praia de Luz so viel wie möglich zu verstehen.

Die BBC berichtet unter Berufung auf die Englische Polizei,dass die Ermittlungen von der Deutschen Polizei geleitet werden, weil der Tatverdächtige seinen Wohnsitz in Deutschland habe.

Das BKA teilte am 03.06.2020 in einer Presseinfo mit: "Angesichts der laufenden Ermittlungen können zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Informationen zum Sachverhalt, insbesondere keine weiteren Einzelheiten zu den konkreten Tatvorwürfen und den bisherigen Ermittlungsergebnissen mitgeteilt werden."

Was Maddies Eltern sagen..

Noch vor wenigen Wochen, zum 17. Geburtstags des verschwundenen Mädchens, waren als Fahndungshilfe Computer-Fotos veröffentlicht worden, die Maddie zeigen, wie sie heute als 15 bis 17 - jährige aussehen könnte.

Der BBC zufolge laufen die Ermittlungen in Großbritannien weiterhin unter "vermisste Personen", weil es keinen "definitiven Beweis" dafür gebe, ob Maddie am Leben oder tot sei. Die deutsche Polizei geht offenbar davon aus, dass Maddie McCann tot ist.

"Wir begrüßen den heutigen Fahndungsaufruf zum Verschwinden unserer Tochter. Wir möchten den Polizeikräften, die in die kontinuierlichen Anstrengungen in der Suche nach Madeleine involviert sind, gerne danken.", zitiert der englische Guardian am 03.06.2020 die Eltern:

"Alles, was wir jemals wollten, ist, sie zu finden, die Wahrheit ans Licht zu bringen, und die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen", sagten die McCanns weiter: "Wir werden nie die Hoffnung aufgeben, Madeleine lebend zu finden. Aber was auch immer dabei herauskommen mag, wir müssen es wissen, damit wir Frieden finden!"

Das BKA hat folgende Fragen:

Das Bundeskriminalamt sowie die Staatsanwaltschaft Braunschweig bitten Sie um Ihre Mithilfe. Das BKA hat auf seiner homepage folgende Fragen und Informationen veröffentlicht:

  • Können Sie Angaben zu den vom Tatverdächtigen genutzten Fahrzeugen machen bzw. haben Sie diese Anfang Mai 2007 gesehen oder haben Kenntnis über ihre Abstellorte im genannten Zeitraum?
  • Können Sie Angaben zu den genannten Rufnummern bzw. deren Nutzern im Mai 2007 machen?
  • Können Sie Angaben zu den abgebildeten Häusern, Zimmern oder sonstigen Anlaufpunkten machen?
  • Haben Sie sich Anfang Mai 2007 an der Algarve aufgehalten und verfügen ggf. noch über Bildmaterial wie Urlaubsfotos oder Videos?
  • Standen Sie in Kontakt zu einer Person, welche in Verbindung zu den gezeigten Fahrzeugen, Gebäuden und Telefonnummern stand und können Sie Angaben zu dessen Aufenthalt Anfang Mai 2007 machen?
  • Wurden Sie möglicherweise selbst Opfer einer Straftat durch diese Person?
  • Weiterhin besteht Anlass zur Annahme, dass es neben dem Täter selbst noch weitere Personen gibt, welche über konkretes Wissen zum möglichen Tathergang und ggf. Ablageort der Leiche verfügen. Diese Personen bitten wir ausdrücklich, sich zu melden und ihr Wissen mitzuteilen.

Auf Wunsch besteht auch die Möglichkeit der Prüfung, diese Hinweise vertraulich zu behandeln!

Bilder und Videos können Sie über das BKA-Hinweisportal unter bka.hinweisportal.de hochladen.

Detailinformationen zu den Fahrzeugen:

Fahrzeug 1: Jaguar XJR 6
Farbe: dunkelrot / aubergine
Kennzeichen: Die letzte bekannte Zulassung nach dem Tattag war bei der Stadt Augsburg.
Verbleib: Der Verbleib des Fahrzeugs ist geklärt.

Fahrzeug 2: VW T3 Westfalia
Farbe: weiß / gelb
Kennzeichen: Im Mai 2007 waren portugiesische Kennzeichen am Fahrzeug montiert.
Verbleib: Der Verbleib des Fahrzeugs ist geklärt.
Hinweis: Der Beschuldigte war nicht Halter des Fahrzeugs. Der Halter ist als Tatverdächtiger auszuschließen.

Das BKA bittet Sie, Ihre Hinweise dem Bundeskriminalamt unter Telefon + 49 (0) 611 / 55 -18444 oder jeder anderen Polizeidienststelle mitzuteilen.

Für Hinweise zur Aufklärung der Tat ist Medien zufolge in Deutschland eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro und in Großbritannien eine Belohnung in Höhe von 20.000 Englischen Pfund ausgesetzt.

Erstveröffentlichung: 03.06.2020-20:32

Jüngste Aktualisierung: 04.06.2020-00:56

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