Knoten kennzeichnen umstrittene Straßenschilder | Bildquelle: RTF.1

Tübingen:

Symbolischer Knoten kennzeichnet umstrittene Straßenschilder

Stand: 13.04.22 14:11 Uhr

Viele Straßen sind nach Namensgebern benannt, die umstritten sind. Die Personen stehen biografisch dabei oft im Zusammenhang mit Antisemitismus oder Kolonialismus, waren Mittäter oder Profiteure des NS-Regimes. Ob solche Personen heute noch mit einem Straßennamen geehrt werden sollten, steht dabei in vielen Städten zur Diskussion. Während es bei einigen Namensgebern klar ist, dass sie umbenannt werden müssen, wird bei anderen kontrovers diskutiert. Die Universitätsstadt Tübingen hat sich jetzt eine Lösung für solche kritischen Straßennamen überlegt - und markiert die Pfosten künftig mit einem symbolischen Knoten.


Zur Zeit stehen in Tübingen insgesamt 14 Straßennamen in der Kritik und sollen genauer untersucht werden. Eine Kommission aus Historikern, Soziologen und Archivaren legt aktuell Kriterien fest, mit deren Hilfe eine Entscheidung getroffen werden soll, ob ein Straßenname getilgt und umbenannt wird, oder nicht.

„Da haben wir jetzt mit einem Wettbewerb einen Weg gefunden, den ich für sehr gelungen halte, nämlich den Straßennamen zunächst zu belassen, aber durch einen symbolischen Knoten am Schild selbst, die Aufmerksamkeit auf das Problem zu ziehen. Gewissermaßen die „Verknotung der Geschichte", die da stattgefunden hat - um den Menschen auch zu sagen, hier ist ein Problem, damit sollten wir uns beschäftigen", erklärt Oberbürgermeister Boris Palmer.

Der erste Knoten wurde jetzt an der Eduard-Haber-Straße angebracht. Ein QR-Code unter dem Knoten führt auf die städtische Homepage, die weitere Informationen liefert. Den Knoten hat Eduard-Haber bekommen, weil er Kolonialbeamter war und sich später auch im NS-Regime betätigt hat. Dieser Name wurde ausgewählt, weil die Partei „Die Fraktion" im Gemeinderat einen Antrag gestellt hatte, die Haber-Straße umzubenennen, erklärt die Kulturamtleiterin Dagmar Waizenegger. Deswegen nehme man jetzt diese Straße als Ausgangspunkt, um auf den Denkprozess und Diskussionsprozess aufmerksam zu machen, so Waizenegger weiter.

Die letzte Straßenumbenennung in Tübingen fand im Jahr 2013 statt – damals wurde die Adolf-Scheef-Straße zur Fritz-Bauer-Straße. Doch nicht immer sind die Biografien eindeutig, erklärt Boris Palmer.

„Ich bin als studierter Historiker wirklich skeptisch, wenn Geschichte getilgt werden soll. Natürlich kann man nicht schlimme Kriegsverbrecher ehren, das steht außer Frage, aber es sind oft die Grautöne-Fälle, wo es nicht so ganz eindeutig ist, wo dann allzu schnell das Schild abgehängt wird. Und ich finde, dass unser Wettbewerbsergebnis für dieses Dilemma einen wirklich guten Ausweg zeigt und die Formgebung gefällt mir außerordentlich. Ich glaube, dass es wirklich ein Anziehungspunkt für die Blicke sein wird und dass die Problematik damit gut bearbeitet werden kann", so Palmer.

Der Ideenwettbewerb zur Kennzeichnung der betroffenen Straßenschilder richtete sich dabei bewusst an Studierende, um so eine junge Perspektive auf die Erinnerungskultur zu eröffnen.

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