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Streit um Austausch biologischer Arzneimittel in Apotheken

Stand: 19.05.22 16:45 Uhr

Der Austausch von biologischen Arzneimitteln durch Nachfolgemittel in der Apotheke wird nach langer Vorlaufzeit ab August 2022 greifen. Doch in der Frage, ob diese Biosimilars genauso gut für Patienten sind, gibt es unterschiedliche Ansichten.

Mehrere Pharmaverbände fordern einen Stopp des "automatischen" Austausches dieser biologischen Medikamente durch Nachfolgeprodukte, so genannte Biosimilars. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, widerspricht: 

"Die konsequente Substitution biologischer Arzneimittel bietet die Chance, bei gleichwertiger Versorgungsqualität die Ausgabenlast für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu reduzieren. Es handelt sich dabei nicht um einen "automatischen" Austausch, sondern um einen von qualifiziertem pharmazeutischen Personal durchgeführten und durch Beratung unterstützten Vorgang."

Dieser werde durch die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem höchsten Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, zusätzlich abgesichert. Reimann weiter: "Klinische Untersuchungen sind im Zulassungsprozess der Biosimilars verpflichtend, sodass Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährleistet sind. Zudem ist die Sicherheit des Präparate-Wechsels in zahlreichen Studien erprobt worden. Auch die Zulassungsbehörden halten den Austausch für sicher."

Die AOK-Vorstandsvorsitzende sieht in der Neuregelung zur Substitution von Biologika ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial: "Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) wären allein im Jahr 2019 Einsparungen in Höhe von 758 Millionen Euro für die GKV möglich gewesen, wenn in der Therapie immer das preiswerteste vergleichbare Biosimilar zum Einsatz gekommen wäre. Zudem ist in vielen Fällen gar keine Umstellung der Therapie notwendig: 55 Prozent der Behandelten sind laut der WIdO-Analyse neu eingestellt worden und hätten von Anfang an ein Biosimilar erhalten."

Die Verbände der pharmazeutischen Industrie sprechen sich gegen die automatische Substitution von Biopharmazeutika in Apotheken aus, die in Kürze wirksam werden soll. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), die AG Pro Biosimilars und der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) fordern den Gesetzgeber zum Handeln auf:

Es sei nicht hinnehmbar, die sichere Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Blick auf keinesfalls gesicherte Einsparungsaussichten auszuhebeln und gleichzeitig den Pharmastandort Deutschland zu gefährden. Die Therapieentscheidung, hochkomplexe Moleküle wie Biopharmazeutika einzusetzen, gehöre in die Hände von Ärztinnen und Ärzten und dürfe nicht im Nachhinein aufgeweicht werden.

Der Wettbewerb mit sogenannten Biosimilars, also Nachfolgepräparaten von Original-Biopharmazeutika, funktioniert laut den Verbänden: Das Segment wächst in Deutschland sehr stark. Die Präparate gelangen schnell in die Versorgung. Der Anteil an rabattvertragsgeregelten Verordnungen liege bereits bei 90 Prozent. Das alles führe bereits zu signifikanten Einsparungen im Gesundheitssystem.

Ärztinnen und Ärzte sind demnach bereits jetzt schon gesetzlich dazu angehalten, die Einsparungspotentiale bei der Verordnung von Biopharmazeutika zu mobilisieren, indem sie von vorneherein rabattbegünstigte Biopharmazeutika verordnen und bei ihrer Verordnung entsprechende Biosimilarquoten gemäß der jeweiligen Arzneimittelvereinbarungen erfüllen.

Ein automatischer Austausch in der Apotheke mobilisiert aus Sicht der Verbände langfristig kaum weitere Wirtschaftlichkeitsreserven. Vielmehr führe dies in den Apotheken zu einem Mehraufwand durch mehr Abstimmungsprozesse zwischen Apotheke und Arzt. Zudem berge ein Präparatewechsel die Gefahr von Medikationsfehlern, er gefährde den Therapieerfolg und wirke sich letztlich negativ auf die Kosten im Gesundheitssystem aus. Perspektivisch führe der automatische Austausch zu Folgekosten, nicht zu Einsparungen.

Biopharmazeutika seien hochkomplexe Arzneimittel und kommen häufig bei schweren chronischen Erkrankungen zum Einsatz. Aus diesem Grund sei für den Therapieerfolg eine engmaschige ärztliche Begleitung erforderlich, auch um Nocebo-Effekte zu vermeiden.

Hintergrund

Laut dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom August 2019 soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Hinweise für den automatischen Austausch von Biopharmazeutika in Apotheken - ohne Einbeziehung der Ärztinnen und Ärzte - erarbeiten, die spätestens im August 2022 in Kraft treten sollen. Diese Regelung stößt auf breite Ablehnung seitens der Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker, Patientinnen und Patienten sowie pharmazeutischen Unternehmen.

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