Im Depot des Kunstmuseums Reutlingen | Bildquelle: RTF.1

Reutlingen:

Die Mathematiker unter den Künstlern: die nächste Ausstellung konkreter Kunst

Stand: 27.08.23 15:17 Uhr

Sie sind die Mathematiker unter den Künstlern: die Erschaffer konkreter Kunst. Ihnen geht es nicht darum, Gegenstände abzubilden, sondern sie versuchen, die Welt in ihrer Struktur zu begreifen. Dabei gehen sie sehr streng nach selbst gestellten Regeln vor. Das wirkt auf den Laien auf den ersten Blick etwas befremdlich, lässt den Betrachter aber das Kunstwerk sehr schnell entschlüsseln und begreifen. Das Kunstmuseum Reutlingen | konkret bereitet gerade eine neue Ausstellung vor, die sich mit dieser sehr logisch aufgebauten Kunst beschäftigt. Und wir haben schon mal einen Blick hinter die Kulissen geworfen.


Das Depot des Kunstmuseums Reutlingen in den Wandelhallen. Hier lagert eine der bedeutendsten Sammlungen konkreter Kunst. Im vergangenen Jahr war sie durch Erbschaft und Schenkung der Stadt Reutlingen zugefallen. Sammlungsleiter Holger Kube Ventura spricht von 800 Werken von 150 Künstlern in einem Versicherungswert von zwölf Millionen Euro.

"Das ist also ein gigantischer Zuwachs für das Kunstmuseum Reutlingen | konkret", so Kube Ventura, "und ja, ich glaube, der [Ober]bürgermeister hat es auch an irgendeiner Stelle gesagt, so was hat es in Reutlingen noch nicht gegeben, und das wird es auch nicht mehr geben, eine solch fulminante Sammlung von hochkarätiger Kunst."

Konkrete Kunst äußert sich auf dem ersten Blick in Mustern. Doch in jedem dieser Kunstwerke steckt eine rein mathematische oder logische Vorgehensweise. Ein Beispiel ist das Werk "6 Punkte positiv/negativ" von Hartmut Böhm. Es zeigt zwei Quadrate à 6x6 Punkte. Aber nicht alle Punkte sind ausgeführt. Wie der Titel "positiv/negativ" schon verrät, fehlen im linken Quadrat genau die Punkte, die im rechten Quadrat zu sehen sind. Wer die Punkte abzählt, erkennt schnell eine Gesetzmäßigkeit, denn im linken Quadrat fehlen die Punkte 1, 4, 9, 16, 25 und 36. Im Werk werden also die Quadratzahlen visualisiert.

Holger Kube Ventura hierzu: "Die vier Künstler, die wir hier zeigen, haben es alle zu tun mit logischen, rationalen Ableitungen, die sie quasi in Bilder überführen, und die man quasi ganz einfach lesen kann mit ein bisschen Mathematik-Verständnis kann man die lesen und denkt: „Das gibt es doch gar nicht!" Wie unglaublich schön das ist, was da für Effekte entstehen, und ich kann mir das sogar alles selber erklären."

Selbst Albrecht Dürer kann als Ausgangspunkt für konkrete Kunst dienen. In diesem Fall ist es ein magisches Quadrat, das in einem seiner Kupferstiche abgebildet ist: In einem Quadrat aus 4x4 Kästchen sind die Zahlen von 1 bis 16 so angeordnet, dass die Summe der Kästchen einer Reihe immer 34 ergibt. Vera Mollner verband die Zahlen in aufsteigender Reihenfolge, und heraus kam dieses Kunstwerk, das auch noch punktsymmetrisch ist.

Holger Kube Ventura: "Was alle Künstler dann auch immer interessiert, ist dass sich diese Systeme sich quasi verselbständigen, diese Regeln verselbständigen, das heißt, irgendwo gehen die nicht mehr auf, irgendwo kommt es zu Unregelmäßigkeiten, und die findet der Mensch dann schön. Das ist eigentlich das Hauptanliegen von dieser Kunst."

Doch auch größere Installationen soll es in der Ausstellung geben. Und sie machen die Vorbereitung zu einer großen Herausforderung: "Man betritt einen Raum, und da sind dann meinetwegen 200 Einzelteile an die Wand montiert, die ein bestimmtes Muster ergeben, und egal, wie man auf dieses Muster oder auf dieses Bild reagiert, da wird man auch erst irgendwie technisch beeindruckt sein und sagen: Wow! So etwas habe ich noch nie gesehen, dass das überhaupt geht."

Wer sich die Kunstwerke anschauen möchte, muss sich aber noch ein wenig gedulden. Die Ausstellung "Konkrete Progressionen" startet am 14. Oktober und geht zum 14. April.


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