Symbolbild: Brennender russischer Panzer 3 (Februar 2022, Ukraine) | Bildquelle: Ukrainische Streitkräfte

Russland:

Militärputsch in Russland: Kämpfe zwischen Söldnertruppe Wagner & Shoigus Verteidigungsministerium | Mit ausführlichen Hintergrund-Infos

Stand: 24.06.23 19:57 Uhr

In Russland ist offenbar ein Militärputsch der russischen Söldnergruppe "Wagner" im Gange. Ausgelöst worden sei dieser durch einen Raketen- und Hubschrauber-Angriff der russischen Armee auf ein rückwärtiges Lager der Söldnergruppe. "Viele von uns sind tot!" sagte Wagner-Chef Prigozhin. Verteidigungsminister Shoigu habe den Angriff persönlich geleitet. Jetzt habe sich die Söldnergruppe auf den Weg gemacht, um "die Kreatur" Shoigu zur Rechenschaft zu ziehen: "Wir sind 25.000", sagte Prigozhin. Lesen Sie hier alles, was über den Militärkonflikt in Russland bislang bekannt ist:

Die Lage ist noch verworren: In Russland ist offenbar ein Militärputsch der Söldnergruppe "Wagner PMC" im Gange. Ausgelöst worden sei dieser durch einen Raketen- und Hubschrauber-Angriff der russischen Armee auf ein rückwärtiges Lager der Söldnergruppe. Der Angriff sei nach Einbruch der Dunkelheit durchgeführt worden.

"Viele von uns sind tot!" sagte Wagner-Chef Jewgeni Prigozhin. Verteidigungsminister Shoigu habe den Angriff persönlich in Rostow am Don geleitet. Bei der vom russischen Militär angegriffenen Militärbasis soll es sich um ein rückwärtiges Lager der Wagner-Söldner, auf russischem Gebiet, bei Rostow handeln.

 

"Wir ziehen Verteidigungsminister Shoigu zur Rechenschaft. Wir sind 25.000!" sagte Söldnerchef Prigozhin

Offenbar als Reaktion auf den Angriff habe sich die Söldnergruppe aus den besetzten ukrainischen Gebieten zurückgezogen und die Grenze nach Russland überquert. Jetzt habe sich die Söldnergruppe auf den Weg gemacht, um "die Kreatur" Shoigu zur Rechenschaft zu ziehen: "Wir sind 25.000", sagte Prigozhin. 

Der russische  Verteidigungsminister Shoigu sei  vor den auf Rostow zurückenden  Wagner-Söldner "als Frau verkleidet" aus Rostow geflohen, sagte Prigozhin.

Die Söldnergruppe Wagner habe sich auf den Weg gemacht, um zuerst Verteidigungsminister Shoigu zur Rechenschaft zu ziehern, und anschließend in ganz Russland wieder für Ordnung zu sorgen, gab Prigozhin bekannt. Die russische Bevöklkerung solle Ruhe bewahren, und sich den Söldnern auf ihrem Weg - nach Moskau ? - nicht in den Weg stellen. Wer das tue, werde vernichtet, Das gelte auch für Checkpoints. Wer wolle, solle sich der Söldnergruppe anschließen.

Die Söldnergruppe Wagner habe mittlerweile einen Hubschrauber der russischen Armee abgeschossen, der das Feuer auf einen Zivilkonvoi eröffnet habe, sagte Prigozhin am Morgen.

Seine „Armee" habe „an allen Orten" die Staatsgrenze der Russischen Föderation überschritten und sei in die Stadt Rostow am Don eingedrungen, und der Generalstab der Russischen Föderation habe befohlen, „das Feuer zu eröffnen", zitiert die ukrainische Prawda den Söldner-Chef:

Prigoschin selbst will nicht von einem "Militärputsch" spechen. Stattdessen sollem Prigoschins Söldnern Prigozhin zufolge „die Gerechtigkeit wiederherstellen". 

Soweit die Darstellung der Ereignisse durch die russische Söldnergruppe Wagner, die - unabhängig von der russischen Armee - bislang auf Seiten der russischen Besatzer beim Überfall auf die Ukraine mitgekämpft hat.

Das russische Verteidigungsministerium und der russische Geheimdienst sprechen Medienberichten zufolge von einem Militärputsch Progorzhins, auf den 15 bis 20 Jahre Gefängnis stünden. Dem FSB zufolge sei gegen Prigozhin ein entsprechendes Verfahren eingeleitet worden.

Die Äußerungen über den aus Rostow am Don geflohenen russischen Verteidigungsminister bezeichnet das russische Verteidigungsministerum als "Provokation". Der russische PRäsident Wladimir Putin sei über die Vorgänge informiert.

Der lange schwelende Konflikt zwischen  der regulären russischen Armeeführung und der russischen Privatarmee "Wagner" hat damit offenbar eine neue Eskalationsstufe erreicht.

 

"Fest  der Hand der Söldnertruppe Wagner": Die Situation in der russischen Stadt Rostow am Don

Einer Karte des US-amerikanischen Militär-Analysten Chuck Pfarrer marschierte Prigozhins Söldnertruppe nach dem behaupteten Angriff auf die Söldnerbasis in Shakty ohne nennenswerte Zwischenfälle, und ohne von russischem Militär aufgehalten zu werden, südwestlich in die Stadt Rostow am Don ein.

Ein Twitter-Foto zeigt Prigozhin der Unterschrift zufolge auf der rückseitigen Veranda des Rostower Militär-Hauptquartiers: 

" Soldaten des PMC „Wagner" im Hauptquartier des südlichen Militärbezirks." heißt es im Text zu einem Foto in der Bilddatenbank der russischen Nachrichtenagentur TASS: Das Foto zeigt zwei Panzer mit roten Markierungen, deren Rohre auf ein  Eck-Gebäude an einer Straßenkreuzung gerichtet sind.

Weitere Fotos und Videos der russischen Nachrichtenagentur TASS zeigen Soldaten - mit weißen Armbinden - und Militärfahrzeuge  an Kontrollpunkten und auf den Straßen Rostow am Don. Die Bilder vermitteln den Eindruck, als habe die Söldnergruppe Wagner die Stadt unter ihrer Kontrolle. Der russische Förderale Sicherheitsdienst (FSB) habe ein Strafverfahren gegen PMC Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin  wegen Aufrufe zu bewaffneter Meuterei angesichts der ernsten Lage und der drohenden Eskalation des Konflikts in Russland eröffnet, heißt es in der Bildunterschrift zu einem weiteren TASS-Foto aus Rostow am Don.  TASS beruft sich dabei auf Angaben des "FSB-PR-Zentrums".

Wagner-Söldnerchef Prigoschin behauptet, er habe mittlerweile die Kontrolle über militärische Einrichtungen in Rostow am Don, insbesondere den Flugplatz, übernommen und gehe „nach Moskau", Seine Soldaten hätten bereits drei russische Hubschrauber abgeschossen, zitiert die Ukranische Prawda den Söldner-Chef:

Das militärische Hauptquartier in Rostow am Don leite die russischen Militär-Operationen in der Ukraine, zitiert CNN das britische Verteidigungsministerium. Prigozhins "insurrection" brepräsentiere die am meisten signifikante Herausforderung der jüngeren Zeit.

Der UP zufolge wurde auf Telegram ein Video, das laut Bildunterschrift Prigozhin im Gespräch mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister Yunus-Bek Yevkurov und dem stellvertretenden Leiter des Staatssicherheitsdienstes Volodymyr Alekseev zeigen soll.

 

"Wenn Ihr Truppen schickt, werden wir sie alle erschießen" sagt Prigozin zum stellvertretenden russischen Verteidigungsminister

Prigozhin informiere  in dem Gespräch Jewkurow, dass die Söldnergruppe Wagner-Leute mittlerweile den dritten Hubschrauber [der russischen Armee] abgeschossen habe. Zudem warnte er Jewkurow davor, weitere russische Truppen nach Rostow zu schicken: Man werde „sie alle erschießen .., wenn sie geschickt werden". 

Wagner sei nach Rostow gekommen, um „den Generalstabschef und Schoigu zu holen":  „Bis sie hier sind, blockieren wir die Stadt Rostow und gehen nach Moskau.", zitiert die UP den Söldnerchef.

"Wo wir mit Soldaten der Russischen Garde und der Militärpolizei zusammen kommen, winken Sie uns freudig zu!" übersetzt CNN am Morgen eine Audio-Botschaft Prigozins: "Viele von ihnen sagen: Wir möchten uns Euch anschließen".

Der Wagner-Chef sagte CNN zufolge weiter: "Zwischen 60 bis 70 russische Militärangehörige  bereits zu den Wagner-Streitkräften übergelaufen, "obwohl wir bis jetzt erst eine kleine Wegstrecke zurückgelegt haben. Ich denke, dass die Hälfte der russischen Armee bereit ist, sich uns anzuschließen."

 

Wie es zu dem Konflikt zwischen der Söldnergruppe "Wagner" und dem russischen Verteidigungsministerium kam

In den vergangenen Wochen hatte sich Wagner-Chef Prigozhin wiederholt in aller Öffentlichkeit darüber beschwert. dass seiner Söldnertruppe vom russischen Verteidigungsministerium Munition vorenthalten würde, und seine Söldner im Kampf gegen die Ukraine deswegen im Nachteil seien und unter Munitionsmangel leiden.

Prigozhins Söldertruppe war in den vergangenen Monaten vor allem im Kampf um die ukrainische Stadt Bachmut eingesetzt, die von den ukrainischen Verteidigern über Monate hinweg zäh verteidigt worden war.

Als Backhmut zu großen Teilen erobert war, hatte Prigozhin vor wenigen Wochen den Rückzug seiner Söldner aus Bachmut und die Übergabe der Stellungen an die reguläre russische Armee angekündigt.

Anschließend hatte Progorzhin gegenüber dem russischen Verteidigungsministerium den Vorwurf erhoben, dass seine Söldnergruppe beim Abzug von russischen Armeeeinheiten beschossen worden sei, und dass die Abzugswege gezielt durch die russische Armee vermint worden seien, um der Söldnergruppe Schaden zuzufügen.

Ursprünglich war die russische Söldnergruppe Wagner offenbar aus dem Umkreis des russischen Präsidenten Putin gegründet und finanziert worden, um im Auftrag Russlands heikle Militär-Einsätze im Ausland auszuführen, bei denen die russische Armee nicht eingesetzt werden konnte, so in Afrika und im Nahen Osten.

Schon damals hatte sich die Söldnergruppe Wagner einen Namen für beispiellose Grausamkeiten gemacht, begangen auch an Kriegsgefangenen: So existiert  beispielsweise ein Video, welches zeigt, wie im Nahen Osten - offenbar von Angehörigen der Söldnergruppe Wagner - einem Gefangenen der Kopf abgeschnitten und anschließend aufgespießt wird.

Nachdem der putinrussische Überfall auf die Ukraine nicht so gelaufen war, wie von Putinrussland geplant, wurde die Söldnergruppe Wagner von Putinrussland auch in der Ukraine eingesetzt:

Gescheiterter putinrussischer Eroberungsplan: Söldnergruppe Wagner sollte "Kastanien aus dem Feuer holen"

Bei den besiegten putinrussischen Invasoren gefundene Unterlagen belegen, dass die russische Militärführung davon ausgegangen war, die Ukraine innerhalb von 3 Tagen zu besetzen und zur Kapitulation zu zwingen. Im Gepäck toter russischer Offiziere fanden sich Parade-Uniformen, die offenbar auf der erwarteten russischen Siegesparade in der ukrainischen Hauptstadt Kiew getragen werden sollten.

Dabei sollten russische Luftlandeeinheiten auf dem nahe Kiew gelegenen Flugplatz Gostomel landen, von dort rasch nach Kiew vorstoßen, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj töten und die Kontrolle über die ukrainische Hauptstadt übernehmen.

Dieses Militärunternehmen ging gründlich schief: Anwesende und rasch zusammengezogene ukrainische Verteidiger vertrieben die russischen Invasoren nach heftigen Kämpfen aus dem Flughafenbereich von Gostomel; die Invasoren mussten sich in die umliegenden Wälder zurückziehen. 

Mehrere große Truppentransporter der russischen Militärs, die schon im Anflug auf den Flughafen Gostomel waren, und dort massive Verstärkung der russischen Truppen anlanden sollten, mussten unverrichteter Dinge wieder zurück zu ihren Basen in Weißrussland fliegen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj, dem die US-Amerikaner die Evakuierung aus Kiew nahegelegt und angeboten hatten, wies das Angebot zurück: "Gebt mir Waffen, und keine [Evakuierungs-] Flugzeuge!", soll er sinngemäß den Amerikanern geantwortet haben.

Die putinrussische Truppen mussten sich in der Folge aus weiten Gebieten rund um Kiew zurückziehen. Später eroberten die - mittlerweile mit westlicher Ausrüstung unterstützten - ukrainischen Verteidiger bei ihrer Herbstoffensive 2022 weitere große Teile besetzter ukrainischer Gebiete zurück.

Prigozhins Angebot in russischen Gefängnissen: 3 Monate Söldnerdienst gegen Straferlass

In dieser Situation wurde die private Söldnergruppe "Wagner" offenbar zur Stabilisierung der Lage an der russisch-ukrainischen Front eingesetzt. Wagner-Chef Prigozhin beschritt dabei einen ungewöhnlichern Weg, um an weitere Söldner für seine Gruppe zu kommen:

Offenbar mit Rückdeckung Putins warb Prigozhin persönlich in russischen Gefängnissen um Söldner. Sein Angebot: Wer 3 Monate als Söldner für Wagner kämpfe, dem werde anschließend seine Reststrafe erlassen. Wer aber versuche, von der Front zu fliehen, der werde erschossen.

Tausende russische Gefangene sollen von Prigozhins Angebot Gebrauch gemacht haben. Darunter veruteilte Mörder und Schwerverbrecher.

Erst jüngst hatte Prigozin verkündet, dass mehrere tausend ehemalige Strafgefangene aus dem Söldnerdienst entlassen und ihre Reststrafe aufgehoben worden sein. Von den entlassenen ehemaligen Gefangenen-Söldner seien in Russland nur 86 Personen durch neue Straftaten aufgefallen. Diese Quote sei drei oder viermal geringer, als dies normalerweise bei Entlassungen der Fall sei.

Lange war darüber spekuliert worden, wer "Inhaber" der Söldnergruppe Wagner sei, bevor sich Prigozhin von einigen Monaten öffentlich als Gründer und Inhaber outete. "Putins Koch" lautet ein russischer Spitzname für Prigozhin, weil dieser offenbar ursprünglich einen Catering-Service betrieben hatte, der auch Putin mit Dienstleistungen versorgte. So kamen Putin und Prigozhin in Kontakt. und in der Folge bekam Prigozhin offenbar den Auftrag zum Aufbau der privaten Söldnergruppe.

Militärische Parallelstrukturen: Wagner sollte offenbar gezielt unabhängig vom russischen Verteidigungsministerium sein

Da die Söldnergruppe Wagner außerhalb und unabhängig von der russischen Armee arbeitete, war diese auch nicht in die Strukturen des russsischen Verteidigungsministerium eingebunden, sondern agierte unabhängig von der russischen Armee.

Durchaus möglich, dass neben der Möglichkeit, auf diese Weise verdeckte russische Armeeeinsätze im Ausland durchzuführen, ein weiterer Grund war, dass der russische Präsident Putin und dessen Machtapparat eine von der russischen Armee unabhängige, zweite militärische Säule haben wollte, auf die man sich auch in Russland selbst stützen konnte: Beispielsweise für den Fall, dass sich das russische Verteidigungsministerium oder die russische Militärführung gegen Putin wenden würden.

Entsprechend war die Söldergruppe Wagner auch bei ihrem Einsatz während des Ukraine-Überfalls nicht in die Befehlsstrukturen des russischen Verteidigungsministeriums eingebunden. Eine ganz ähnliche Situation findet sich übrigens bei den Kadyvriten, der Kampftruppe des tschetschenischen Machthabers Kadyrow, der für seine lange Jahre unbedingte Loyalität zu Putin umfangreiche Autonomiezugeständnisse für Tschetschenien erhalten hat. Auch die Kadyvriten kämpfen - soweit sie in der Ukraine im Einsatz sind - eigenständig und unabhängig von den Macht- und Befehlsstrukturen des russischen Verteidigungsministeriums.

So ist es nicht verwunderlich, dass gerade aus diesen beiden unabhängig agierenden Militär-Formationen  in den letzten Monaten zunehmend und umfangreiche Kritik an der Kriegsführung des russischen Verteidigungsministeriums geübt wurde. Dabei wurden, insbesondere von Prygrozhin, nicht nur die russische Generäle und die russische Armeeführung, sondern auch der russische Verteidigungsminister Shoigu massiv und in schonungsloser Offenheit kritisiert.

Prigozhin ging dabei, auch in den letzten Tagen wieder, soweit, ganz offen den Lageberichten des russischen Verteidigungsministerums zu widersprechen; auf die Gefahr einer Niederlage Russlands gegen die Ukraine hinzuweisen, und das russische Verteidigungsministerium zu beschuldigen, schöngefärbte Märchenberichte an den Kreml zu schicken.

Geheimgespräche zwischen Prigozhin und dem Ukrainischen Geheimdienst?

Prigozhin habe mit dem ukrainischen Geheimdienst in den vergangenen Monaten mehrmals Geheimgespräche geführt, wurde jüngst in ukrainischen Medienberichten kolportiert, so in einem Bericht der Ukrainischen Prawda. Der russische Söldnerchef sei von sich aus auf die Ukraine zugekommen und habe einen Deal angeboten:

Wenn die Ukraine die Verteidigung der hart umkämpften Stadt Bachmut aufgebe, und so der Wagner-Gruppe zu einem Erfolg verhelfe, werde er der Ukraine den genauen Standort russischer Stellungen verraten, soll Prigozhin angeboten haben. Die Ukraine habe das mehrfache Angebot Prigozhins aber abgelehnt.

Prigozhin wies die Behauptungen zurück und zog die Medienberichte über den Kontakt zur Ukraine in einer Stellungnahme ins Lächerliche. Der ukrainische Geheimdienst lehnte eine Stellungnahme ab und gab lediglich bekannt, man spreche während des Krieges im Interesse der Ukraine mit verschiedenen Personen-

 

Kadyrow und Prigozhin: Zunehmend ein Dorn im Auge des russischen Verteidigungsministeriums

Während ursprünglich die Militärgruppen von Kadyrow und Prigozhin für Putin wohl als unerlässlich angesehen wurden, um die ukrainisch-russische Front zu stabilisieren, und die ukrainische Herbstoffensive 2022 zu stoppen, waren die kritischen Äußerungen Kadyrows und Prigozhins dem Kreml und insbesondere den in aller Öffentlichkeit hart angegangenem russischen Verteidigungsministerium offenbar zunehmend ein Dorn im Auge.

Während Verteidigungsministerium und Generalstab von Prigozhin zunächst nur im Zusammenhang mit militärischen Niederlagen öffentlich kritisiert wurden, weitete der Wagner-Chef die Kritik zunehmend auch auf bevorstehende Entwicklungen aus: Wenn das Verteidigungsministerium so weitermache, stehe Russland vor einer militärischen Niederlage in der Ukraine. In der Folge gerate das Wichtigste überhaupt in Gefahr: Nämlich Russland selbst. Dieses drohe nach einer Niederlage selbst zu zerfallen.

Während es Kreml und Verteidigungsministerium in den letzten Wochen offenbar gelang, zumindest Kadyrow wieder auf Reihe zu bringen, gestaltete sich das bei Prigozhin offenbar schwierig:

 

 "Vielleicht schießen sie deswegen auf uns": Prigozhin will keinen Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium unterschreiben:

Erst vor wenigen Tagen forderte das russische Verteidigungsministerium Kadyrow und Prigozhin auf, für ihre Militärgruppen einen Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben. Vordergründig ging es dabei um die soziale Absicherung der Soldaten und um ihre rechtliche Gleichstellung mit regulären Soldaten der russischen Armee.

Hintergründig sollte mit dem Vertrag wohl aber auch die militärische und disziplinarische Eingliederung der bisher unabhängig operierenden Militär-Einheiten Kadyrows und Prigozhins in die Strukturen des russischen Verteidigungsministeriums erreicht werden.

Kadyrow unterschrieb. Prigozhin weigerte sich: "Vielleicht werden sie uns jetzt angreifen", sagte Prigozhin sinngemäß zu den Folgen seiner Weigerung, der Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium zu unterschreiben. 

Genau das ist jetzt - Prigozhin zufolge offenbar in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 2023 passiert.

 

Mögliche Szenarien: Kippt Shoigu? Kippt Putin? Schafft sich Wagner einen eigenen autonomen Staat rund um Rostow?

Ausgehend von der aktuellen Situation sind nach dem Dafürhalten der Klarner Medien - Auslandsredaktion verschiedene mögliche Szenarien denkbar:

Anders als Tschetschenen-Diktator Kadyrow, der auch nach Unterzeichnung des Vertrages mit dem russischen Verteidigungsministerium weiterhin seine Machtbasis in Tschetschenien hat, besteht Prigozhins Machtbasis bislang ausschließlich aus der militärischen Stärke der Wagner-Soldnertruppe, den bislang bestehenden Wagner-Ausbildungscamps in Russland, und seiner Befehlsgewalt über diese Truppe. Hätte Prigozhin diese Absicherung durch die Unterschrift unter den Vertrag des russischen Verteidigungsministeriums aufgegeben, so wäre wohl seine politische, militärische und persönliche Zukunft besiegelt gewesen. Wohl hat Prigozhin auch aus den in den vergangenen Monaten behaupteten Aktionen und Schlägen des russischen Verteidigungsministerium den Schluss gezogen, dass dieses nicht zögern wird, mit Progozhin einen gefährlichen militärischen und machtpolitischen Konkurrenten auszuschalten und zu vernichten.

Um seine persönliche Existenz zu schützen, und um seine Unabhängigkeit im Machtpoker der russischen Militärstrukturen zu bewahren, muss sich Prigozhin in dieser für ihn nicht nur unangenehmen sondern auch existentiell bedrohlichen Situation eine neue Machtbasis etablieren. Diese könnte entweder in einem durch ihn selbst beherrschten geografischen Machtgebiet auf russischem Boden und/oder in einer im Rahmen einer militärischen Auseinandersetzung mit Putinrussland und der russischen Armee erzwungenen "Burgfrieden" bestehen.

Mit der jetzt offenbar erfolgten militärischen Besetzung der Stadt Rostow am Don und wohl auch der umliegenden Gebieten könnte Prigozhin genau diese Möglichkeit in die Tat umsetzen: Das Erschaffen einer eigenen geographischen Machtbasis im Rostow-Gebiet mit dem Ziel, in Verhandlungen zur Beilegung deer Kämpfe mit dem Kreml eine militärische Autonomie für die Oblast Rostow und darüber hinaus herauszuschlagen.

Alternativ, oder als Plan B könnte Prigozhin auch darauf spekulieren, einen Umsturz - zumindest der bisherigen militärischen Strukturen - in Gesamtrussland herbeizuführen.

Umgekehrt muss es dem russischen Verteidigungsministerium, dem Generalstab und insbesondere dem von Prigozhin immer wieder in aller Öffentlichkeit angegriffene und verächtlich gemachtem russischen Verteidigungsminister Shoigu darum gehen, Prigozhin als unabhängigen Machtfaktor auszuschalten, und diesen nebst seiner Söldnergruppe entweder zu vernichten, oder durch Einbindung in die Militär- und Disziplinarstrukturen der russischen Armee einzuhegen.

Ausgehend von den oben postulierten Strategien und Zielen der beiden Hauptkontrahenten ergeben sich folgende mögliche Zukunfts-Szenarien für die aktuelle Situation:

Szenario 1: Die Söldnergruppe Wagner wird durch die reguläre russische Armee massiv bekämpft und entweder vernichtet oder zur Kapitulation gezwungen. Prigozhin dürfte bei diesem Szenario ins Gefängnis wandern oder umkommen. 

Unwägbarkeit aus Sicht des russischen Verteidigungsministeriums: Zwar hat die  russische Armee rund 400.000 Soldaten im besetzen Teil der Ukraine stehen. Ein Teil-Abzug aus der Ukraine zur Vernichtung der Söldnergruppe Wagner würde aber zu Instabilitäten an der ukrainisch-russischen Front führen und es der Ukraine im Rahmen ihrer Sommeroffensive ermöglichen, einen Durchbruch zu erzielen, der möglicherweise zu einem Zusammenbruch und Rückzug der Ukraine aus weiten Teilen der besetzten Ukraine führen dürfte.

Szenario 2: Die Söldnergruppe Wagner igelt sich militärisch auf russischem Gebiet rund um Rostow am Don ein, und schafft sich damit gleichzeitig die bisher fehlende, geografische Machtbasis: Es kommt zu einer Art "Patt" zwischen der russischen Armee und der Söldnergruppe. Es entsteht ein kleiner, von der Söldnergruppe Wagner mit Billigung Putins teilautonom beherrschter Teilstaat auf russischem Boden.

Szenario 3: Der Machtapparat um Putin "zwingt" das russische Verteidigungsministerium und die Söldnergruppe Wagner zu einem Waffenstillstand. Der Konflikt zwischen beiden Militärgruppen wird - zumindest oberflächlich - beigelegt. Prigozhin und seine Söldnergruppe bekommen Fortexistenz-, Versorgungs- und Immunitätsgarantien. Der Konflikt wird zumindest oberflächlich beigelegt.

Szenario 4: Der Aufstand der Söldnergruppe Wagner wird durch überlaufende Einheiten der russischen Armee massiv unterstützt und verstärkt Es kommt zu einem Marsch der Söldnergruppe Wagner und Teilen der russischen Armee nach Moskau.

Russlands Machtzentrum Moskau wird von Progozhin militärisch unter Kontrolle gebracht. Präsident Putin verliert entweder sein Amt oder Putin sieht sich gezwungen, mit Prigozhin eine militärisch-politische Lösung auszuhandeln; Prigozhin als neuen Verteidigungsminister zu berufen und Shoigu sowie den bisherigen Generalstab abzusetzen. Die Lage beruhigt sich; aber Putins Machtapparat und der Kreml verfügen nun nur noch bedingt Einfluss auf die militärischen Strukturen der russischen Armee. Prigozhin ist der neue "starke Mann" Russlands.

Welches dieser vier Szenarien eintreten wird, lässt sich derzeit noch nicht prognostizieren. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Entwicklung wird auch die militärische Entwicklung an der ukrainisch-russischen  Front sein:

Wenn es der Ukraine gelingt, das sich plötzlich und unerwartet auftretende Zeitfenster nebst der daraus resulietierenden möglichen Instabilitäten der russischen Armee zu nutzen, um einen Durchbruch an der ukrainischen Südfront zu erzielen, könnte das die Dynamik eines Machtverfalls im Kreml oder eines Zusammenbruchs der russischen Invasionsarmee weiter verstärken.

Was plant Putin?

Putin wäre dann möglicherweise gezwungen, sich aus weiten Teilen der Ukranie, wohl mit Ausnahme der Krim, zurückzuziehen und gegebenfalls einen für Putinrussland sehr unvorteilhaften Frieden mit der Ukraine abzuschließen, um "Luft" zu bekommen zur Beilegung des innerrussischen Militärkonfliktes.

Putin selbst wird erfahrungsgemäß wohl versuchen, einen Burgfrieden zwischen dem Kreml, dem Verteidigungsministerium und zwischen Prigozhins Wagner-Söldner herbeizuführen: Eine stabilisierte Machtbalance, in dem sich die divergierenden Machtzentren "Verteidigungsministerium" und "Gruppe Wagner" gegenseitig in Schach und in Balance halten, wäre für das eigenen politische Überleben von Putin und dem kremlputinschen Machtapparat wohl das am wenigsten bedrohlichste Szenario.

Am frühen Samstag Morgen hat Putin jedenfalls ankündigen lassen, dass aufgrund der aktuellen Ereignisse  in Kürze zur Nation sprechen werden.

 

Die USA beobachten die Situation genau | US-Präsident Biden informiert

Die USA beobachten die aktuelle Entwicklung in Russland genau. US-Präsident Joe Biden wird seit Freitag Abend über die Entwicklung der Situation in Russland gebrief, zitiert CNN den Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Adam Hodge.

Schon im Januar 2023 habe ein Top-Offizieller des Weißen Hauses gesagt, dass sich die Söldnergruppe Wagner zu einem "rivailisierenden Machtzentrum und zu anderem russischen Militär" entwickle. Progozhin arbeite wohl daran, seine eigenen Interessen voranzutreiben, 

Se9ther hätten das Weiße Haus und andere Sicherheitsberater die "fortlaufende Schlacht"  zwiischen Wagner-Solnderchef Prigozhin und dem russischen Verteidigungsministerium sehr gnau verfolgt, berichtet CNN.

CNN zufolge habe Prigozhin Putin schon in 2022 direkt mit der Lageeinschätzung konfronitert, dass der Ukraine-Krieg von hochrangigen russischen Generälen  schlecht geführt werde. Diese seien dafür zur Verantwortung zu ziehen, so Prigozhin.


+++ Dieser Bericht wird ständig aktualisiert. Schauen Sie wieder vorbei! +++

 

Ein Bericht der Klarner Medien-Auslandsredaktion: Mehr wissen! Besser informiert!

Hinweis:  Die in diesem Artikel verwendeten Hintergrund-Informationen wurden von der Klarner-Medien Auslandsredaktion seit Kriegsbeginn im Februar 2022 durch Auswertung inesbesondere der ukrainischen, russischen Medien fortlaufend und sorgfältig zusammengetragen.

 

Erstveröffentlichung: 24.06.2023-05:26  |  Aktueller Stand;: 24.067.2023-09:49

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