Opfer von "Cancel Culture" und "No Platforming"
Wissenschaftler werden aus Diskussionrunden an Unis ausgeladen, weil sie wissenschaftliche Forschungen betreiben und Standpunkte vertreten, die insbesondere linkssoziologisch orientierten Hochschulgruppen missfallen. Lehrveranstaltungen und Vorträge werden boykottiert und gestört. Auf Universitäten wird Druck ausgeübt, wissenschaftlich missliebige Professoren zu entlassen oder von ihren Lehrveranstaltungen zu entbinden. Die Zahl der Opfer von "Cancel Culture" und "No Platformung" nimmt zu.
Erinnerung an dunkle Zeiten
Die Methoden, unliebsame Wissenschaftler mundtot zu machen, Auftritte, Vorträge und Lehrveranstaltungen zu verunmöglichen und diese von ihren Stellen zu entfernen, erinnern an dunkelste Zeiten der deutschen Vergangenheit ebenso wie an dunkelste Zeiten der Meinungsdiktatur in der stalinistischen Sowjetunion und im maoistischen China.
Die britische Regierung sieht Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit an britischen Universitäten mittlerweile im Kern bedroht und will nun mit einem neuen Gesetz gegen die Diskriminierung von Wissenschaftlern vorgehen: Opfer von "Cancel Culture" und "No Platforming" sollen in Zukunft ein Recht auf Schadensersatz erhalten. Das kündigte jetzt der britische Bildungsminister Gavin Williamson an:
Unis: Staatliche Gelder nur bei Gewährleistung der Meinungsfreiheit
Universitäten, welche keine Maßnahmen gegen die Einschränkung von Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit ergreifen, sollen demnach keine weiteren finanziellen Corona-Hilfen erhalten. An jeder Universität soll ein "Beauftragter für Meinungsfreiheit" darüber wachen, dass "Cancel Culture" und "No Platforming" niemand mehr diskriminieren und keinen Schaden mehr anrichten.
Auch in Deutschland regt sich Widerstand gegen die wissenschaftliche Diskriminierung und Ausgrenzung durch "Cancel Culture" und "Political Correctness":
Widerstand auch in Deutschland: "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet"
Anfang 2021 haben sich 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegen "Cancel Culture" und "Political Correctness" im "Netzwerk Wissenschaftsfreiheit" zusammengeschlossen: Sie wenden sich gegen die "zunehmenden Verengung von Fragestellungen, Themen und Argumenten in der akademischen Forschung". Die rationale und ergebnisoffene Suche nach Erkenntnis dürfe nicht durch eine ideologische oder politische Agenda eingeschränkt werden. Voraussetzungen von freiheitlicher Forschung und Lehre sollen verteidigt und gestärkt werden. Lesen Sie hier das Manifest des Netzwerks in voller Länge.
Das Netzwerk plant allerdings nicht, sich zum Gesetzesvorhaben der britischen Regierung zu positionieren. Das teilte die Sprecherin des Netzwerks, Dr. Sandra Kostner, auf gemeinsame Nachfrage unserer Redaktion und vom Redaktionsverbund BW mit.
Migrationsforscherin Dr. Sandra Kostner: Gesetzliche Regelungen nur als Ultima Ratio"
Migrationsforscherin Kostner, die an der PH Schwäbisch Gmünd lehrt, ließ uns aber ihre persönliche Einschätzung wissen: "Gesetzliche Regelungen, wie sie nun in Großbritannien getroffen würden, können nur die Ultima Ratio sein, wenn der Staat keine andere Möglichkeit mehr dafür sieht, die individuellen Freiheitsrechte von Wissenschaftlern und Studierenden zu schützen", so Kostner.
Für Deutschland liege Kostner zufolge jedoch keine Situation vor, in der ein solches Vorgehen geboten wäre: "In Großbritannien hat in stärkerem Maße als in Deutschland ein freiheitsfeindliches Klima an den Universitäten Einzug gehalten, aber ich erachte den Schritt der britischen Regierung zum jetzigen Zeitpunkt dennoch nicht für angemessen."
"Staatliches Eingreifen würde nur an Oberfläche etwas verändern, aber niemand von der Achtung der Freiheit Andersdenkender überzeugen"
Grund für die Skepsis des Migrationsforscherin sei, dass staatliches Eingreifen, das mit Sanktionen verbunden ist, nur an der Oberfläche etwas verändern könne, "aber niemanden davon überzeugen wird, dass die Achtung der Freiheit des jeweils Andersdenkenden die tragende Säule einer lebendigen Unversitätskultur ist."
Auch von deutscher Regierung erwartet: Klares Bekenntnis zum Schutz individueller Freiheitsrechte
Dass die britische Regierung mit dieser Regelung ein klares Bekenntnis zum Schutz individueller Freiheitsrechte ausspricht, sei jedoch positiv zu bewerten, sagte Kostner: "Das sollte die deutsche Regierung auch tun, jedoch ohne zum Instrument der Sanktionen zu greifen."
Der britische Bildungsminister Williamson hatte die Maßnahmen zur Stärkung der Meinungsfreiheit an Universitäten am 16. Februar 2021 angekündigt:
Britische Regierung: Unrechtmäßiges "Silencing" ausmerzen
Durch strengere gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der freien Meinungsäußerung und der akademischen Freiheit an den Universitäten in England solle "unrechtmäßiges "Silencing" auf dem Campus" ausgemerzt werden. Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
"Nach einer steigenden Zahl von Fällen, in denen Einzelpersonen zum Schweigen gebracht wurden, hat der Bildungsminister vor einem "abschreckenden Effekt" gewarnt, bei dem Studenten und Mitarbeiter das Gefühl haben, dass sie sich nicht frei äußern können."
Gewährleistung von freier Meinungsäußerung ist Bedingung für Universitäten
Die vorgeschlagenen Maßnahmen setzen Williamson zufolge "ein Versprechen aus dem Manifest um und beinhalten eine neue Bedingung zur freien Meinungsäußerung, die Hochschulanbieter erfüllen müssen, um in England registriert zu werden und Zugang zu öffentlichen Geldern zu erhalten."
Sanktionen auch gegen Studentenvereinigungen
"Die Aufsichtsbehörde, das Office for Students, hätte die Befugnis, Sanktionen, einschließlich Geldstrafen, für Verstöße gegen diese Bedingung zu verhängen", heißt es in der Presseinfo weiter
Die verschärften gesetzlichen Pflichten würden sich demnach "auch auf Studentenvereinigungen erstrecken, die zum ersten Mal Maßnahmen ergreifen müssten, um sicherzustellen, dass die rechtmäßige freie Meinungsäußerung für ihre Mitglieder und andere, einschließlich Gastrednern, gewährleistet ist."
Recht auf Schadensersatzansprüche für Opfer von "Cancel Culture" & Co
Die britische Regierung plant zudem ein Recht auf Schadensersatzanspruch für die Opfer von "Cancel Culture", "No Platforming" und "Silencing": "Darüber hinaus würde eine neue rechtliche Maßnahme es Einzelpersonen ermöglichen, über die Gerichte Schadenersatz zu verlangen, wenn sie infolge einer Verletzung der Pflichten zur freien Meinungsäußerung einen Verlust erleiden - wie z.B. durch Ausschluss, Entlassung oder Degradierung."
Besorgt über abschreckende Wirkung von "inakzeptablem Schweigen und Zensur"
Bildungsminister Gavin Williamson sagte: Die freie Meinungsäußerung untermauert unsere demokratische Gesellschaft, und unsere Universitäten haben eine lange und stolze Geschichte als Orte, an denen sich Studenten und Wissenschaftler frei äußern, Ansichten hinterfragen und einen offenen Geist kultivieren können."
Williamson zeigte sich "zutiefst besorgt über die abschreckende Wirkung von inakzeptablem Schweigen und Zensur auf dem Campus." Der britische Bildungsminister sagte: "Deshalb müssen wir die freie Meinungsäußerung in der Hochschulbildung stärken, indem wir die bestehenden gesetzlichen Pflichten stärken und sicherstellen, dass strenge, robuste Maßnahmen ergriffen werden, wenn gegen diese verstoßen wird."
Für jede Uni ein Beauftragter für Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit
Weiter heißt es in der Pressemitteilung: "Nach den Plänen würde der Bildungsminister auch einen neuen "Free Speech and Academic Freedom Champion" ernennen, ein Beauftragter, "der potenzielle Verstöße untersucht, wie z.B. das Verbot von Rednern oder die Entlassung von Akademikern, und die Hochschulanbieter wären gesetzlich verpflichtet, die freie Meinungsäußerung aktiv zu fördern."
Verstöße untersuchen, Bußgelder verhängen: Neuer Beauftragter wird Vorstandsmitglied im Studentenwerk
Der neue Beauftragte würde demnach "in den Vorstand des Office for Students berufen und wäre in der Lage, potenzielle Verstöße gegen die neue Registrierungsbedingung zur Redefreiheit und akademischen Freiheit in der Hochschulbildung zu untersuchen. Die Registrierungsbedingung würde mit verstärkten gesetzlichen Pflichten zur freien Meinungsäußerung und akademischen Freiheit zusammenarbeiten, und der Beauftragte wäre auch in der Lage, dem Office for Students die Verhängung von Bußgeldern zu empfehlen."
Das Strategiepapier enthält Williamson zufolge "auch Erwartungen der Regierung, die über die gesetzlichen Mindestpflichten hinausgehen und darlegen, was Universitäten anstreben sollten."
Die Regierung werde weiterhin "gemeinsam mit dem Sektor an Leitlinien und weiteren Untersuchungen arbeiten". Die nächsten Schritte für die Gesetzgebung werde man zu gegebener Zeit festlegen.
"Schritt, um Meinungsvielfalt zu schützen"
Tom Simpson, Associate Fellow bei Policy Exchange und außerordentlicher Professor für Philosophie und öffentliche Politik an der Blavatnik School of Government der Universität Oxford, sagte der Presseinfo zufolge:
"Dieses Strategiepapier des Bildungsministeriums ist ein sehr willkommener Schritt, um sicherzustellen, dass die Meinungsvielfalt an britischen Universitäten geschützt wird. Wie die jüngste Abstimmung im Senat der Universität Cambridge zeigt, gibt es eine deutliche Mehrheit von Akademikern, die die akademische Freiheit befürworten."
Minderheit darf keine abschreckende Wirkung auf Verwaltung & Akademiker ausüben
"Das Problem ist",sagt Professor Simpson " wie die Forschung von Policy Exchange untersucht hat, dass eine Online-Kultur es den Ansichten einer Minderheit erlaubt, einen unverhältnismäßigen Einfluss auf die Verwaltung auszuüben und eine abschreckende Wirkung auf andere Akademiker auszuüben. Die Förderung einer Norm der politischen Nichtdiskriminierung und die Schaffung von Anreizen für Administratoren, das zu tun, wozu sie bereits gesetzlich verpflichtet sind, ist ein entscheidender Schritt zur Gewährleistung einer Kultur des freien Diskurses an unseren Universitäten."
Quelle: PM Britisches Bildungsministerium, Britische Medienberichte
Erstveröffentlichung: 18.02.2021-11:05
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