Reutlinger Schiedweckentag | Bildquelle: RTF.1

Reutlinger Tradition:

Die Geschichte des Schiedweckentags

Stand: 08.03.23 10:34 Uhr

Die Reutlinger Mutschel und der damit einhergehende Mutscheltag ist wohl den meisten Bewohnern der Achalmstadt bekannt. Wie sieht es aber mit dem Schiedwecken und dem Schiedweckentag aus?Am Mittwoch nach dem zweiten Fastensonntag, also heute, wird der Schiedweckentag gefeiert. Aber warum? Was genau verbirgt sich hinter dem Schiedwecken und wie wird das Traditionsgebäck hergestellt? Antworten auf diese Fragen, bekommen Sie jetzt.


Der Schiedwecken wird in vielen Reutlinger Bäckereien nach traditionellem Rezept gebacken. In der Bio-Bäckerei Berger wird das Traditionsgebäck nicht nur am Schiedweckentag verkauft, sondern auch einige Tage davor und danach. Ähnlich wie bei der Reutlinger Mutschel.

Traditionsgebäck mit Kalbfleisch

Der Schiedwecken, den man auch als Fleischpastete bezeichnen könnte, wird auch gerne als größere Version zu Weihnachten oder Silvester bestellt, erzählt uns Hubert Berger. Jede Reutlinger Bäckerei, die Schiedwecken herstellt, hat dabei ihr eigenes Rezept.

„Also die Gemeinsamkeit von den Schiedwecken ist das Kalbfleisch. Da ist natürlich der Unterschied, wie macht man das Kalbfleisch an. Wir machen das Kalbfleisch mit ganz wenigen Zutaten an, wir haben also Salz, Muskatnuss, Zitrone, und Bechamelsoße und Petersilie. Das ist alles was wir rein tun", erklärt Berger. Wichtig ist auch der hauseigene Blätterteig, der in der Bäckerei Berger mit viel Butter hergestellt wird.

Regionale Zutaten

Die Zutaten werden aus der Region geholt – mit Ausnahme der Zitronen. Das Kalbsgulasch bezieht Berger von der Metzgerei Zeeb. Etwa 70 Gramm Fleisch kommen in einen Schiedwecken.

„Die Petersilie kommt jetzt nicht ins Fleisch, die Petersilie kommt in die Semmelbrösel rein. Die Semmelbrösel saugen dann nachher die Flüssigkeit vom Fleisch auf, das ist ja schade, wenn die verschwinden würde", so Berger

Zum Schiedweckentag verarbeitet Berger etwa 180 Kilo Fleisch. Auch eine vegetarische Variante wird angeboten, doch der klassische Schiedwecken wird nach wie vor am meisten gekauft.

"Bescheißerle" zur Fastenzeit

Der Deckel auf dem Schiedwecken soll das Fleisch „verstecken", denn eigentlich befinde man sich ja in der Fastenzeit, daher schummeln die Schwaben, wie bei der Maultasche, scherzt Berger. Dann kommen die kleinen Pasteten für 25 Minuten in den Ofen – aufgeteilt in verschieden heiße Zonen. Dann kommen sie knusprig und heiß auf dem Ofen – das schmeckt auch Hubert Berger selbst.

Schmecken lässt es sich auch Professor Roland Wolf vom Geschichtsverein Reutlingen. Auch für ihn steht der Schiedwecken am Mittwoch nach dem zweiten Fastensonntag fest auf dem Speiseplan.

Alte Tradition zum Energiesparen

„Der Reutlinger Schiedweckentag geht auf eine alte Tradition zurück. In der kalten Winterzeit haben sich die Menschen in einer einzelnen Stube versammelt, um zum Beispiel Heizung und Licht zu sparen, hat man sich zusammengesetzt in einer Wohnstube, dabei auch etwas Handarbeiten verrichtet, und man hat auch gefeiert und fand seinen Abschluss dann in dem Schiedweckenessen", erklärt Professor Wolf.

Zurückzuverfolgen ist diese Tradition bis in das 15. Jahrhundert, spätestens seit dem 18. Jahrhundert wurde er dann als Schiedwecken gefeiert. Der Geschichtsverein hat diese Tradition vor 50 Jahren aufgenommen, um es in einer zeitgemäßen Form weiterzupflegen, erklärt Wolf. „Das heißt, für uns gehört dann zum Schiedweckenessen noch mehr dazu, also zum Beispiel ein Vortrag zu einem interessanten Thema der Stadt- oder Landesgeschichte oder der Volkskunde oder ein literarisches Thema."

Schiedweckenabend in der Stadthalle

Gefeiert wird die Tradition in der Stadthalle Reutlingen – heute Abend ist es wieder soweit. Etwa 500-700 Personen nehmen in der Regel an so einem Abend teil.

„Natürlich die Stadtverwaltung, mit der wir das gemeinsam durchführen, da sind also die Vertreter der Stadtverwaltung mit dabei und sehr viel Interessierte. Unsere Mitglieder primär, aber nicht nur Mitglieder sind eingeladen, es sind alle eingeladen. Der Eintritt ist frei, das ist schon mal verlockend möglicherweise", so Wolf.

Und natürlich wird ein Highlight an diesem Abend, der gemeinsame Verzehr der saftigen Schiedwecken sein.

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