Wie hat sich die Musik des Mittelalters angehört? Mit welchen handwerklichen Tätigkeiten haben sich die Menschen damals beschäftigt? Und wie sah generell der Alltag im 13. Jahrhundert aus? Derartige Fragen bekommen Besucher des mittelalterlichen Zeltlagers im Pfullinger Schlösslespark beantwortet. Von anderen, ähnlichen Veranstaltungen will man sich hier bewusst abgrenzen.
"Living History darf man nicht verwechseln mit den üblichen Mittelaltermärkten, die man überall immer sieht, auf denen man ganz viel zu sehen bekommt, nur ganz oft kein Mittelalter", sagt Projektleiter Dr. Michael Kienzle, "sondern hier im Living History versucht man tatsächlich, wissenschaftlich fundiert Mittelalterdarstellung zu machen."
So zeigt einer der Akteure, wie sich die damaligen Ritter in ein Kettenhemd gezwängt hatten. Gekämpft wird hier auch noch. Doch der mittelalterliche Alltag bestand nicht immer nur aus Kämpfen, und das wird hier im Schlösslespark deutlich. Man versucht hier, bis ins kleinste Detail alles möglichst authentisch und originalgetreu nachzubilden und nachzustellen.
"Wir haben aus dem Mittelalter bildliche Darstellungen, die oft sehr detailliert sind, wir haben archäologische Funde, und man versucht dann zum Beispiel, bei der Kleidung eben die Schnitte zu rekonstruieren", sagt Dr. Kienzle. "Das ganze wird dann mit historischen Nahttechniken auch zusammengenäht, die Stoffe werden mit historischen Färbemitteln, also mit Pflanzenfarben gefärbt, und man versucht wirklich, ins Detail zu gehen."
Die Akteure sind zum Teil Archäologen und Historiker, zum Teil kommen sie aber auch aus allen möglichen Gesellschaftsschichten und Berufen. Die meisten sind durch Zufall zur Living History gekommen. Auch die dargestellten Personen bieten einen Querschnitt durch die mittelalterliche Gesellschaft. Wenigen Adligen stehen viele Knechte und Mägde gegenüber.
Dr. Michael Kienzle: "Eine adelige Ausstattung, die kostet Geld. Die hat nicht nur im Mittelalter Geld gekostet, die kostet auch heute Geld, da sind dann die Beschläge auf dem Gürtel eben echt vergoldet, die Kleidung ist mit Seide gefüttert und mit Pelz besetzt, und man zahlt da doch einige tausend Euro, und so mancher entscheidet sich dann für die Knechtdarstellung, die ist dann deutlich einfacher und kostengünstiger."
Hinter dem Event steckt das Greifenstein Projekt. Archäologen der Uni Tübingen haben die Burgen Greifenstein und Stahleck im oberen Echaztal archäologisch untersucht. Die Funde können in einer Ausstellung im Schlössle besichtigt werden. Projektleiter PD Dr. Lukas Werther: "Die Greifensteiner Burg, beziehungsweise die Greifensteiner Burgen, es gibt zwei davon tatsächlich, ist die Stammburg einer Familie, die ab dem 12. Jahrhundert in den Schriftquellen greifbar ist und bis ins mittlere 14. Jahrhundert das obere Teil des Echaztals maßgeblich geprägt hat, und diese Familie und ihre Burgen und alle anderen Elemente ihrer Herrschaft untersuchen wir in unserem Projekt."
Die Greifensteiner waren Edelfreie, über die aber in den schriftlichen Quellen nicht viel bekannt ist. Das Greifenstein-Projekt diente dazu, mehr über sie herauszufinden. Lukas Werther: "Wir haben auch andere Burgen noch untersucht, die letzten Ende zu dieser Herrschaft gehören und eine klösterliche Niederlassung, die letzten Endes auch die Ebene der Frömmigkeit dieser Familie beleuchtet, die Religion spielt ja eine ganz wichtige Rolle im Mittelalter, vor allem auch die Frage natürlich nach dem Seelenheil nach dem Tod."
Ein Highlight unter den Funden ist aber eine Schachfigur sowie ein Satz aus Spielsteinen und Würfel. Ihre nachgemachten Pendants in der Living History finden die Spielsteine an einem Stand, an dem es um mittelalterliche Spiele geht.
Auch am Sonntag hat das Living History Event von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Die Ausstellung zum Greifenstein-Projekt im Schlössle ist noch bis zum 30. August zu sehen.
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